Braun wie Kognak. Braun wie Laub.
Rotbraun. Malaiengelb.
D-Zug Berlin-Trelleborg und die
Ostseebäder.-
Fleisch, das nackt ging.
Bis in den Mund gebräunt von Meer.
Reif gesenkt. Zu griechischem
Glück.
In Sichel-Sehnsucht: wie weit der
Sommer ist!
Vorletzter Tag des neunten Monats
schon!-
Stoppel und letzte Mandel lechzt
in uns.
Entfaltungen, das Blut, die
Müdigkeiten,
Die Georgiennähe macht uns wirr.-
Männerbraun stürzt sich auf
Frauenbraun:
Eine Frau ist etwas für eine
Nacht.
Und wenn es schön war, noch für
die nächste!
Oh! Und dann wieder dies Bei-sich
-selbst-sein!
Diese Stummheiten! Dies
Getriebenwerden!
Eine Frau ist etwas mit Geruch.
Unsägliches! Stirb hin! Resede.
Darin ist Süden, Hirt und Meer.
An jedem Abhang lehnt ein Glück.-
Frauenhellbraun taumelt an
Männerdunkelbraun:
Halte mich! Du, ich falle!
Ich bin im Nacken so müde.
O dieser fiebernde süße
letzte Geruch aus den Gärten.-
(Gottfried Benn, 1912)
Sie liegen immer in den
Nebengassen,
Wie Fischerschuten gleich und
gleich getakelt,
Vom Blick befühlt und kennerisch
bemakelt,
Indess sie sich wie Schwäne
schwimmen lassen.
Im Strom der Menge, auf des
Fisches Route.
Ein Glatzkopf äugt, ein Rotaug'
spürt Tortour,
Da schießt ein Grünling vor, hängt
an der Schnur
Und schnellt an Deck einer
bemalten Schute,
Gespannt von Wollust wie ein
Projektil!
Die reißen sie aus ihm wie
Eingeweide,
Gleich groben Küchenfrauen ohne
viel
Von Sentiment. Dann rüsten sie
schon wieder
Den neuen Fang. Sie schnallen sich
in Seide
Und steigen ernst mit ihrem
Lächeln nieder.
(Paul Boldt, 1913)
Die Liebenden am Abend in Berlin!
Wir liebten junge Mädchen nach
Gewicht!
Elf Dutzend Pfund! Sie
radebrechten: „Nicht“,
Umarmten uns und stießen mit den
Knien!
Unser Geschlecht berauscht die
Jungfraun! Schrien
Nicht alle gleich? - Ach, dieser
Lärmkehricht
Deflorationen ist
erinnerungsschlicht
Verschollen wie Quartaneronanien.
-
Wir mästen unser Lachen. In den
Städten,
Des Todes sehr rentablen
Fleischereien,
Arbeiten Dirnen, Ärzte; die
entgräten
Die Luesleichen für den Schlund
des Grabes,
Tod, stellst du keinen
Liebesdichter ein?
Wir machen Propaganda für die
Tabes.
(Paul Boldt, 1913)
Die bunten Lichter sind schon
angesteckt.
War dieser Tag denn grau und voll
von Qualen?
Es stehen Mädchen an den
Hausportalen.
Vom Hute ist ihr Angesicht
bedeckt.
Und ein des Tages grausames
Gebäude
Schwimmt auf mich zu als sei's ein
großer Schwan.
In süßem Sonnenaufgang regt sich
Freude.
Durch Schleier ziehn Gefährte ihre
Bahn.
Im dunklen Samt des hohen Himmels
schimmern
Die Abendsterne, die man nicht
erlangt.
Durch Schmutz der Straße und durch
farbig
Flimmern
Nahn Wunderdirnen, schneeig und
erkrankt.
Seht Menschen, die sich sachlich
schwarz bewegen!
Die Läden glühn in fleiß'ger
Frömmigkeit.
Die Stadt ist mir oft wertvoll
grad deswegen,
Weil sie im Grund unfestlich,
ungeweiht.
Wenn Influenza um die Ecken braut,
Werfen Etagen sich im Nebelfieber.
Dann wieder hochpoetisch hingebaut
Stehn Häuser, und Vergangnes
klingt herüber.
Wo aber einst dein Mund sich
meinem beugte
Von Herzlichkeit dann spechend
unentwegt -
Die ganze Gegend dieser Stadt ist
heute
Für mich sehr heftig pathogen
belegt.
(Ernst Blass, 1913)
Daß ich dich gefangen hielte,
Deiner Seele
Blutenden Wind,
Daß ich mit dir spielte,
Wie mit einem Kind!
Daß deine Kehle
Das Mahl meiner Zähne trüge!
Du braune Lüge!
Wie eine Katze
Streichst du durch Sommerabendzeit
Unter Linden - - - -
Meine Glut schürt nach dem
Schatze,
Fühlst du nicht, wie sie
giergrabend schreit:
„Ich will finden!“
Du braune Seligkeit!
In der Frühe nahm ich ein Bad - -
-
Deine Strümpfe sind ja
durchbrochen -
Über meinen Pfad
Sind Schnecken gebrochen.
Schwarzes Kleid, weißes Linnen,
braune Haut
Und die rote Wunde - - -
Wird mir so vor ihnen grauen - - -
O lasse
Sie über meinem herben
Abend ein helles Dach erbauen!
Du Frucht der Frauen!
Du braune Frau Zebadoth!
(Max Herrmann-Neisse, 1911)
Die weichen Schauer. Blütenfrühe.
Wie
aus warmen Fellen kommt es aus den
Wäldern.
Ein Rot schwärmt auf. Das große
Blut steigt an.
Durch all den Frühling kommt die
fremde Frau.
Der Strumpf am Spann ist da. Doch,
wo er endet,
ist weit von mir. Ich schluchze
auf der Schwelle:
laues Geblühe, fremde
Feuchtigkeiten.
Oh, wie ihr Mund die laue Luft
verpraßt!
Du Rosenhirn, Meer-Blut, du
Götter-Zwielicht,
du Erdenbeet, wie strömen deine
Hüften
so kühl den Gang hervor, in dem du
gehst!
Dunkel: nun lebt es unter ihren
Kleidern:
nur weißes Tier, gelöst und
stummer Duft.
Ein armer Hirnhund, schwer mit
Gott behangen.
Ich bin der Stirn so satt. Oh, ein
Gerüste
von Blütenkolben löste sanft sie
ab
und schwölle mit und schauerte und
triefte.
So losgelöst. So müde. Ich will
wandern.
Blutlos die Wege. Lieder aus den
Gärten.
Schatten und Sinnflut. Fernes
Glück: ein Sterben
hin in des Meeres erlösend tiefes
Blau.
(Gottfried Benn, 1913)
Die ärmsten Frauen von Berlin
- dreizehn Kinder in anderthalb
Zimmern,
Huren, Gefangene, Ausgestoßene-
krümmen hier ihren Leib und
wimmern.
Es wird nirgends so viel
geschrien.
Es wird nirgends Schmerzen und
Leid
so ganz und gar nicht wie hier
beachtet,
weil hier eben immer was schreit.
„Pressen Sie, Frau! Verstehn Sie,
ja?
Sie sind nicht zum Vergnügen da.
Ziehn Sie die Sache nicht in die
Länge.
Kommt auch Kot bei dem Gedränge!
Sie sind nicht da, um auszuruhn.
Es kommt nicht selbst. Sie müssen
was tun!“
Schließlich kommt es: bläulich und
klein.
Urin und Stuhlgang salben es ein.
Aus elf Betten mit Tränen und Blut
grüßt es ein Wimmern als Salut.
Nur aus zwei Augen bricht ein Chor
von Jubilaten zum Himmel empor.
Durch dieses kleine fleischerne
Stück
wird alles gehen: Jammer und
Glück.
Und stirbt es dereinst in Röcheln
und Qual,
liegen zwölf andere in diesem
Saal.
(Gottfried Benn, 1912)
Ein starker Wind sprang empor.
Öffnet des eisernen Himmels
blutende Tore.
Schlägt an die Türme.
Hellklingend laut geschmeidig über
die eherne Ebene der Stadt.
Die Morgensonne rußig. Auf Dämmen
donnern Züge.
Durch Wolken pflügen goldne
Engelflüge.
Starker Wind über der bleichen
Stadt.
Dampfer und Kräne erwachen am
schmutzig fließenden Strom.
Verdrossen klopfen die Glocken am
verwitterten Dom.
Viele Weiber siehst du und Mädchen
zur Arbeit gehn.
Im bleichen Licht. Wild von der
Nacht. Ihre Röcke wehn.
Glieder zur Liebe geschaffen.
Hin zur Maschine und mürrischem
Mühn.
Sieh in das zärtliche Licht.
In der Bäume zärtliches Grün.
Horch! Die Spatzen schrein.
Und draußen auf wilderen Feldern
Singen Lerchen.
(Jakob van Hoddis, 1907/09)
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